Ertragswertverfahren: Wie berechnet man den Ertragswert?
- Marc Seiberth
- 31. März 2024
Der Immobilienmarkt ist einer stetigen Veränderung unterworfen. In Zeiten von Niedrigzinsen macht der Verkauf von Wohneigentum und Gewerbeobjekte durchaus Sinn. Sie wollen den Wert Ihrer Immobilie wissen? Mit dem Ertragswertverfahren können Sie den Verkehrswert ganz leicht berechnen. Welche Formel Sie dazu verwenden müssen und welche weiteren Aspekte Sie beachten sollten, werden wir nachfolgend beantworten.
Was ist das Ertragswertverfahren?
In der Bewertung von Immobilien spielt neben dem Sachwert- und Vergleichswertverfahren das Ertragswertverfahren eine große Rolle. Es kommt vor allem bei der Bewertung von vermieteten, gewerblich genutzten Objekten und bei Mischnutzungen beider Bereiche zum Einsatz, da sich hier Erträge aus Miet- oder Geschäftseinnahmen ergeben. Die Ermittlung des Verkehrswertes orientiert sich demzufolge am Gewinn, der mit diesem Objekt erzielt wird. Dieser Betrag bezeichnet den Marktwert, den das Objekt bei einem Verkauf am Immobilienmarkt erzielen würde.
Was ist der Ertragswert?
Der Wert eines Renditeobjektes, für die zukünftige und marktübliche Einnahmen erzielt werden, nennt man Ertragswert. Dieser Wert wird anhand des Ertragswertverfahrens ermittelt. In der Immobilienwertermittlungsverordnung, kurz ImmoWertV, und dem Bewertungsgesetz, kurz BewG, sind die gesetzlichen Bestimmungen geregelt.
Wie lässt sich der Wert berechnen?
Bei diesem Verfahren steht zunächst eine Grundformel zur Verfügung, mit der Sie einen Preis für Ihr Objektes berechnen können:
Verkehrswert = Bodenwert + Gebäudeertragswert
Es wird zwischen dem Grundstückswert und den darauf befindlichen Gebäuden unterschieden, denn ein Bauwerk ist im Laufe der Zeit deutlichen Veränderungen unterworfen. Während Sanierungen die Nutzungsdauer und damit den Marktwert eines Hauses wieder nach oben korrigieren können, sinkt der Preis eines Gebäudes ohne Erneuerungs- und Reparaturmaßnahmen. Für das Grundstück selbst bleibt der Marktwert in der Regel erhalten.
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Berechnung anhand einer Beispiel-Immobilie
Um die folgenden Kalkulationsschritte nachvollziehen zu können, bedienen wir uns eines fiktiven Einfamilienhauses.
Folgende Eckdaten werden dem Ertragswertverfahren zugrunde gelegt:
- Bodenrichtwert: 138,00 €/m²
- Grundstücksfläche: 400 m²
- Wohnfläche: 260 m²
- Mietpreis pro m²: 8 €
- Zinssatz für Liegenschaften: 5 %
- Restnutzungsdauer: 40 Jahre
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1. Ermittlung des Bodenwerts
Am leichtesten funktioniert diese Kalkulation, wenn Sie den Bodenrichtwert Ihrer Kommune zu Hilfe ziehen. Im Abstand von zwei Jahren wird dieser von einem Gutachterausschuss anhand der erzielten Preise aller verkauften Grundstücke in diesem Zeitrahmen in der Ortschaft festgelegt. In der Regel finden Sie die entsprechenden Angaben dazu auf der Internetseite Ihrer Stadt oder Gemeinde bzw. auf Anfrage.
Anschließend setzen Sie den Bodenrichtwert in folgende Formel ein:
Für unser fiktives Einfamilienhaus mit einem Grundstückspreis von 138 €/m² und einer Grundstücksfläche von 400 m², ergibt sich nach folgender Rechnung: 138 €/m² x 400 m² = 55.200 €. Das Ergebnis der Rechnung beträgt also 55.200 €.
2. Ermittlung des Jahresreinertrags
Für die Kalkulation des Jahresreinertrag müssen zunächst weitere Komponenten ermittelt werden. Hierbei handelt es sich um die Bewirtschaftungskosten und den Jahresrohertrag. Der Jahresrohertrag sind Einnahmen aus der Vermietung einer Wohnung. Liegen tatsächliche Werte aus vergangenen Jahren vor, werden diese in folgende Rechnung eingesetzt:
Sollte das Objekt erstmalig vermietet werden, so wird die angesetzte Miete je Quadratmeter (Kaltmiete) in der Formel berücksichtigt.
In unserer Rechnung erhalten wir bei einem Quadratmeterpreis von 8 € und einer Wohnfläche von 260 m² dieses Ergebnis: 8 € x 260 m² x 12 Monate = Jahresrohertrag von 24.960 €.
Die Bewirtschaftungskosten, die bei der Instandhaltung des Objektes und durch notwendige Betriebskosten oder Verwaltungskosten sowie Mietausfallwagnis entstehen, werden beim Ertragswertverfahren abgezogen. Durch Zusammenrechnen der einzelnen Posten kann der Betrag der Bewirtschaftungskosten exakt bestimmt werden. Es gibt allerdings auch einen etwaigen Richtwert, der bei 20 % der Nettoeinnahmen liegt.
Das Haus würde nach dem berechneten Jahresrohertrag von 24.960 € folgende Bewirtschaftungskosten ausweisen: 24.960 € x 0,2 = 4.992 €. Der Einfachheit halber runden wir den Betrag auf 5.000 € auf.
Aus den soeben bestimmten Werten lässt sich anschließend der Jahresreinertrag kalkulieren:
Für unser Einfamielienhaus ergibt sich folgender Jahresreinertrag: 24.960 € — 5.000 € = 19.960 €.
3. Ermittlung des Gebäudereinertrags
Für die Bestimmung des Grundstückswertes wird der sogenannte Liegenschaftszins berücksichtigt. Dieser kennzeichnet den Prozentsatz bei einer marktüblichen Verzinsung der Marktwerte von Grundstücken. Sobald ein Wohngebäude auf dem Grundstück steht, können Sie sich eine Verzinsung von 5 % merken. In einer ersten Rechnung setzen Sie den Zinssatz wie folgt ein, um die Bodenwertverzinsung auszurechnen:
Als Beispielrechnung erhalten Sie folgende Verzinsung: 0,05 x 55.200 € = 2.760 €.
Im nächsten Schritt wird diese Rechengröße für die Ermittlung des Gebäudereinertrags angesetzt. Im Ertragswertverfahren wird davon ausgegangen, dass sich der mögliche Preis eines Grundstücks im Laufe der Zeit verändert und in der Regel nach oben bewegt. Um dies im Verhältnis zum Gebäude zu berücksichtigen, wird folgende Rechnung angestellt:
Für das fiktive Objekt samt Grundstück ergibt sich ein Gebäudereinertrag von: 19.960 € — 2.760 € = 17.200 €.
4. Ermittlung des Gebäudeertragswerts
Beispielrechnung | |
---|---|
= Ertragswert | 347.600 € | Grundstücksgröße | 400 m² |
= Grundstückswert | 55.200 € |
Miete pro Quadratmeter | 8 € |
x Wohnfläche | 260 m² |
x 12 Monate | 12 |
= Jahresrohertrag | 24.960 € |
x 20 % der Nettoeinnahmen | 0,2 |
= Bewirtschaftungskosten | 4.992 € ≈ 5.000 € |
– Jahresrohertrag | 24.960 € |
= Jahresreinertrag | 19.960 € |
Zinssatz für Liegenschaften | 0,05 |
x Grundstückswert | 55.200 € |
= Bodenwertverzinsung | 2.760 € |
– Jahresreinertrag | 19.960 € |
= Gebäudereinertrag | 17.200 € |
x Vervielfältiger | 17,16 ≈ 17 |
= Gebäudeertragswert | 292.400 € |
+ Grundstückswert | 55.200 € |
+/- beeinflussende Faktoren | 0 |
Nachdem Sie den Gebäudereinertrag berechnet haben, kommt nun der sogenannte Vervielfältiger, auch Barwertfaktor genannt, ins Spiel, der mittels dem Zinssatz für Liegenschaften und der Nutzungsdauer des Gebäudes ermittelt werden kann. Die Formel setzt sich folgendermaßen zusammen:
Da die Nutzungsdauer in der Kalkulation eine Potenz darstellt, ist es nicht verwunderlich, dass der Barwertfaktor mit der Länge der zu erwartenden Nutzungsdauer deutlich ansteigt. Welche konkreten Zeiträume für die Nutzung von Gebäuden festgelegt wurden, können Sie im Bewertungsgesetz (BewG) nachvollziehen. Mietwohngrundstücke werden danach mit 80 Jahren Gesamtnutzungsdauer angegeben.
Das fiktive Einfamilienhaus würde mit einer Nutzungsdauer von 40 Jahren nach dieser Rechnung einen gerundeten Barwertfaktor von 17 erhalten.
Vervielfältiger = (0,05 + 1)40 — 1 / (0,05 + 1)40 x 0,05 = 17,16 ~ 17
Um nun den Gebäudeertragswert exakt bestimmen zu können, folgt diese Rechnung:
Für unser Haus ergibt sich die folgende Gleichung: 17 x 17.200 € = 292.400 €. Die Kennzahl würde nach der Kalkulation 292.400 € betragen.
5. Ermittlung des Ertragswertes
Der endgültige Marktpreis eines Miet- oder Gewerbeobjekts kann nach den oben beschriebenen Zwischenschritten nun abschließend bestimmt werden. Die Kalkulation nach diesem Verfahren lautet wie folgt:
Wertsteigernde oder wertmindernde Faktoren werden in dieser Abschlussgleichung noch berücksichtigt. Dabei kann es sich um Mietbindungen handeln, wodurch der Jahresrohertrag keine Steigerung nach oben zulässt. Auch bauliche Mängel, bereits durchgeführte Sanierungsmaßnahmen oder ähnliches können diese Kennzahl beeinflussen.
In unserem Beispiel lassen wir diese Wertänderungen heraus, sodass sich folgendes berechnen lässt: 292.400 € + 55.200 € = 347.600 €.
Wie exakt ist der Verkehrswert nach dem Ertragswertverfahren?
Sollten Sie als Laie nach den oben angegebenen Formeln den Ertragswert Ihrer Immobilie ermittelt haben, können Sie dem tatsächlichen Betrag sehr nahe gekommen sein. Hierfür benötigen Sie vor allem exakte Zahlen für den Bodenrichtwert und die Bewirtschaftungskosten.
Kleine Abweichungen einzelner Werte können sich in der verfälschten Endsumme widerspiegeln. Selbst kleine Fehler bei den wertsteigernden oder wertmindernden Faktoren beeinflussen die Kalkulation und verfälschen letztlich das Endergebnis. Im Zweifelsfall ist es sicherer und ratsamer, einen erfahrenen Gutachter oder Makler einzuschalten.
Wer hat Interesse an berechneten Verkehrswerten?
Als Eigentümer wollen Sie mit Sicherheit von Zeit zu Zeit wissen, wieviel Ihr Miet- oder Gewerbeobjekt wert ist. Sollten Sie sich zum Verkauf entschließen, benötigen Sie den aktuellen Immobilienwert. Dieser bestimmt letztlich den Verkaufswert für Ihr Objekt.
Veräußern Sie Ihre Immobilie nicht an eine Privatperson, so fragen Investoren an dem im Ertragswertverfahren ermittelten Wert, um die zu erwartenden Gewinne und Rendite berechnen zu können.
Für welche Objekte wird das Ertragswertverfahren eingesetzt?
Dieses Verfahren wird zur Wertermittlung eingesetzt, wenn es sich um gewerblich genutzte oder Mietobjekte (Wohnungen, Häuser) handelt, die Erträge bzw. Gewinne ausweisen. In der Regel handelt es sich dabei um Mieteinnahmen.
Für folgende Gebäudearten kommt die Kalkulation in Betracht:
- Ein- und Zweifamilienhäuser zur Miete
- Mehrfamilienhäuser mit Mietwohnungen
- Gewerbeobjekte z. B. Bürogebäude, Lagerhalle, Werkstatt
- Geschäftsräume u. a. Ladenlokal, Café, Supermarkt
- weitere gewerblich genutzte Objekte wie Parkhaus, Tankstelle, Hallenbad
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